NICHT MEHR UND NICHT WENIGER

Donnerstag 10.11.22
Von: Michaela Bosshard

Der Body Mass Index (BMI) taucht im Zusammenhang mit dem Tanz immer wieder auf und hat sich als statistischer Standardindikator etabliert, der jedoch lediglich das Verhältnis von Körpergewicht und Körpergrösse angibt, nicht aber den Körperbau, den körperlichen Entwicklungsstand bei Kindern und Jugendlichen oder das Verhältnis von Fett- zu Muskelgewebe berücksichtigt.

Obgleich der BMI in der Verwendung weitverbreitet ist, weist der BMI Mängel auf, insbesondere in Bezug auf Kinder und Jugendliche im Wachstum (Deichsel, 2021). Die Debatte um die Verwendung des BMI in der Tanzausbildung hat Danse Suisse dazu veranlasst, unter der Leitung von Dr. Natina Schregenberger vorbeugende Massnahmen zu ergreifen, um Tänzer:innen im Wachstum vor verfrühten Einschätzungen ihres Gewichtes zu schützen. Aus diesem Grund hat Dr. Natina Schregenberger die tanzmedizinischen Untersuchungen an den Talentscouting Days so angelegt, dass für Beurteilung von Gewicht, Grösse und BMI generell die Wachstumskurven der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie massgebend sind. Diese Kurven geben das Körpergewicht und die Körpergrösse eines Kindes im Wachstum in Relation zu den Werten von Gleichaltrigen an und sind daher aussagekräftiger. Dies hat zur Folge, dass ein umfassendes Bild der Teilnehmer:innen bezüglich ihres Körpergewichts in Relation zu Alter und Körpergrösse entsteht.


An den Talentscouting Days 2020 wurde die folgende Verteilung der Körpergewichtsperzentilen diagnostiziert: 76% der TänzerInnen waren normalgewichtig, 16% zeigten ein unterdurchschnittliches Körpergewicht, nur knapp 8% waren klar untergewichtig in Relation zum Alter und Körpergrösse. → Hier geht es zum tanzmedizinischen Report!


Die tanzmedizinischen Untersuchungen bei den Talentscouting Days umfassen zusätzlich die folgenden Kriterien:

  • Die psychische und physische Integrität der Tanzer:innen steht an erster Stelle.
  • Medizinische Probleme sind nicht selektiv für Bewertung. Die tanzmedizinischen Abklärungen stehen für sich selbst und fliessen nicht in die Gesamtbewertung der Trainings und Solis ein. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Talentabklärung und die Abklärung der physischen Voraussetzungen separat auszuweisen.
  • Das gesamte Medical Team untersteht der Schweigepflicht und ist unabhängig. Die Physiotherapeut:innen und Untersucher:innen sind nicht in oder für Tanzschulen tätig.
  • Die Untersuchungen sind für alle Teilnehmer:innen obligatorisch, externe Gefälligkeitszeugnisse werden nicht geduldet. Dies garantiert eine einheitliche und faire Betrachtungsweise.
  • Ist eine ausserordentliche Häufung gewisser Verletzungen oder Untergewicht in einer spezifischen Tanzschule vorhanden, wird dies Danse Suisse weitergeleitet.
  • Die Untersuchungen werden in einem geschlossenen Raum, ohne Anwesenheit von Eltern oder Tanzpädagog:innen, durchgeführt. Zudem ist den Begleitpersonen das Betreten des Untersuchungsraumes untersagt.
  • Im Untersuchungsraum ist immer eine Ärztin/ein Arzt anwesend. Medizinische Auffälligkeiten des Bewegungsapparates oder auch Untergewichtsprobleme werden seitens der Physiotherapeuten:innen der anwesenden Ärztin/dem anwesenden Arzt vorgestellt.
  • Die Gewichtsmessung erfolgt von einer separaten Person, die nachfolgend der:die Tänzer:innen nicht weiter untersucht oder berührt. Die Nennung des Gewichts erfolgt mündlich nur auf Wunsch der Teilnehmer:innen, ansonsten rein schriftlich.
  • Gewicht/Grösse/BMI werden individuell mit der Percentilenkurve der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie abgeglichen.
  • Normabweichungen unter der 3. Percentile werden notiert und im Protokoll vermerkt, mit Bitte der Kontaktaufnahme der Eltern mit der zuständigen Ärztin/dem zuständigen Arzt vor Ort.
  • Hierzu besteht am Nachmittag die Möglichkeit der Gratissprechstunde oder eine individuelle Kontaktaufnahme per Telefonat oder in Praxis im Nachgang bei der zuständigen Danse Suisse Ärztin/beim zuständigen Arzt.
  • Die Eltern haben alternativ die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Kind im Vorfeld der Talentscouting Days eine Präventivuntersuchung und ein ausführliches Gespräch zu diesem Untersuch in der Praxis durchzuführen.

(Kriterien zusammengestellt von Dr. Natina Schregenberger)


Bestehen Normabweichungen, wird das Gespräch mit den Eltern gesucht und eine Untersuchung/Abklärung bei einem Kinder-/Jugendmediziner:in angeregt, um nebst Ernährungsproblemen auch andere gesundheitliche Störungen auszuschliessen, wie zum Beispiel Wachstumsretardierung, Hormonstörungen, Magendarmerkrankungen u.a.


Mit diesen Massnahmen leistet Danse Suisse nicht nur einen aktiven Beitrag zum Schutz und zur Prävention, sondern bietet den heranwachsenden Tänzer:innen auch eine tanzmedizinische Standortbestimmung, die es ihnen ermöglicht, die erhaltenen Empfehlungen in ihr tägliches Training zu integrieren.